Musizieren ohne Noten
Singen ohne Text
Auf dieser Seite geht es um das gemeinsame Singen und Musizieren.
Der Ruf-Abstand
Wenn wir unsere Kinder rufen:
Sa-rah, Ni-no, Mo-ni, Jo-na – wie sie auch heißen – alle hören und kennen diesen Abstand von zwei Tönen, und sie kommen alle nach Haus. Ob bei Beethoven oder im Fußballstadion und beim Rock-Konzert: Überall hören wir zwei Töne mit diesem Ruf-Abstand. Diesen Tonabstand kennt jeder.
Eine andere Tonfolge, die von allen erkannt wird, ist das Ta-tü-ta-ta vom Martinshorn. Auch beim Karneval spielt die Kapelle immer wieder diesen Tonabstand.
In der Musik gibt es zahlreiche solcher Abstände. Die Musikstile sind unterschiedlich, je nach Geschmack. Vieles ist aber auch allgemeingültig, und das kann man miteinander teilen. Um dieses Gemeinsame soll es hier gehen.
Viele unserer Freunde kennen sich mit Noten noch nicht so gut aus und wollen dennoch gerne miteinander singen, oder sie finden Gitarre und Keyboard gut.
Wie können wir gemeinsam Lieder singen und begleiten ohne Notenkenntnisse?
Das Prinzip der Silben
Als Beispiel wählen wir den Ruf-Abstand, mit dem wir unsere Kinder rufen.
Das ist ein allgemeines musikalisches Muster, eine einfache Form aus zwei Tönen – der eine Ton ist hoch, der andere tiefer – eine kleine Melodie, die abwärts geht.
Wir hören diese Tonfolge auch im Tierreich, oft auf nur einem einzigen Laut, z. B. U – U.
Das ist ein sehr sparsamer Text für das Lied.
Wenn eine Mutter mit derselben Tonfolge die La-ra ruft, ist der Text bereits aussagekräftiger.
Welche Tonhöhe dabei klingt, ist für die Struktur der Form egal. Es ist der Abstand, der die Aufmerksamkeit oder das Gefühl erzeugt.
Wenn der Vater den Jonas ruft, ist der Text anders. Auch die Tonhöhe der gesamten Form ist tiefer. Die Tonfolge ist gleich – sie hat bei allen diesen Ruf-Abstand.
Wir singen mit den Kindern das Frühlingslied, und alle können die Tonfolge ganz einfach in der gewählten Tonhöhe mitsingen. Auch der Text ist schnell gelernt: Kuckuck, Kuckuck, ruft’s aus dem Wald. Das ganze Lied ist geprägt von dem Ruf-Abstand.
Wollen wir die Melodie auf dem Keyboard spielen und mit Akkorden begleiten – vielleicht zusammen mit einer Gitarre – dann müssen wir einiges klären.
Die Tonfolge für ein Lied aufzuschreiben ist die erste Aufgabe. Danach wählen wir die Tonhöhe.
Die 12 Tonstufen
Wir wählen als Beispiel eine bekannte, einfache Tonfolge und singen Over the Rainbow.
Die Melodie fängt auf einem tiefen Ton an:
SOME – und geht dann ganz hoch nach – WHERE
Over the Rainbow
Way up high …
Wir hören bei WHERE denselben Ton wie bei SOME, aber in der nächst höheren Stimmlage.
Dieser große Tonsprung wird Oktave genannt.
Den Ton-Abstand von einer Oktave kann man in 12 gleiche Tonstufen einteilen – das nennt man gleichstufige Stimmung. Alle Nachbartöne haben dabei den gleichen Abstand.
In allen Ländern dieser Erde gibt es Musikinstrumente mit Tasten oder Saiten, die diese gleichstufige Stimmung verwenden. An diese Stimmung mit 12 gleichen Stufen hat man sich überall gewöhnt. Unser Piano Keyboard und unsere Gitarre haben dafür 12 Tasten oder 12 Bünde.
Diese 12 Tonabstände werden überall gespielt und gesungen. Ob tief oder hoch, kräftig oder zart – Damit lassen sich alle Melodien und Akkorde zur Begleitung auf Klavier und Gitarre spielen, singen und notieren.
Für die Verständigung untereinander nummerieren wir die 12 Tonstufen mit arabischen Zahlen.
Dabei orientieren wir uns an der Gitarre (Optimale Darstellung bei DIN A4).
Bei der Melodie von Over the Rainbow ohne Text würde man singen: 0-12-11-7-9-11-12 …
Die Zahlen lassen sich aber nicht so schön singen. Zum Singen verwenden wir deshalb 12 Silben. Alle 12 Tonstufen erhalten dabei einen eigenen, singbaren Silben-Namen.
Das Lied lässt sich nun auch ohne Text gut singen: Sa-Sa-Ni-Pa-Da-Ni-Sa …
Leider erkennt man beim Aufschreiben nicht, wenn die Tonfolge nach oben oder nach unten geht.
In dieser Melodie-Notiz haben wir deshalb Pfeile eingefügt.
So kann man die Struktur einer Melodie ohne Text wunderbar singen und den Verlauf der Tonstufen aufschreiben, mitteilen und verstehen. Bei Ma-Re und Re-Ni hören wir auch wieder den Ruf-Abstand.
Diese 7 Silben (Sa, Re, Ga, Ma, Pa, Da, Ni) haben wir von unseren Freunden aus Indien gelernt. Die anderen 5 Silben (Ro, Go, Li, Do, No) sind davon abgeleitet und in unserem regionalen Dialekt hinzugefügt.
Diese 12 Silben nennen wir zusammen die Common12.
Auf der Silben-Uhr sehen wir die Anordnung der Tonstufen mit der Silbe Sa im Zentrum. Daran orientieren sich alle anderen, und diese Beziehungen prägen wir uns immer mehr ein.
Diese Silben sind nicht nur wegen der Vokale gut zu singen – sie sind auch voller Information und Bedeutung. Sie sagen etwas aus über die Funktion, die ein Ton im musikalischen Geschehen hat – welche Stellung er einnimmt und wie seine Beziehung zu den anderen Tönen ist.
Mit jedem Lied, das wir auf diese Weise singen, prägen sich die Silben-Namen weiter ein.
Schon nach kurzer Zeit merkt man die Gewöhnung und kann sich an musikalischen Mustern mehr und mehr erfreuen.
Alle Melodien, Akkorde, Tonleitern, alle musikalischen Zusammenhänge, die wir auf diese Weise lernen, sind grundsätzlich. Das Gelernte gilt für alle Lieder und Stimmen, für alle Instrumente und Tonlagen.
Tonauswahl
Ob für Keyboard, Gitarre oder Gesang – mit Hilfe der Silben können wir einfach und schnell den Aufbau von Melodien oder anderen musikalischen Formen notieren.
Beim Musizieren und Singen verwandeln wir die Struktur einer Form in konkrete Töne. Auch wenn wir die Silben verwenden, singen wir ja nicht das Muster, sondern mit bestimmten Tönen nach diesem Muster.
Wer alleine singt, kann eine Melodie in der passenden Tonhöhe singen – jeder hat ja eine eigene Stimmlage. Auch die Gitarre kann jeder stimmen, wie er mag. Das Keyboard ist dagegen festgelegt auf die allgemein gültigen Tonhöhen.
Darum wählen wir für ein gemeinsames Lied eine Tonhöhe, eine Stimmlage aus, die für uns alle passt. Dabei richten wir uns nach dem Piano Keyboard.
Damit beschäftigen wir uns in den Beiträgen unter der Überschrift Liedbegleitung.
Man kann natürlich auch ganz andere Silben festlegen (Beispiele in der Tabelle unten).
Im romanischen Sprachraum gibt es das bekannte DoReMi, das ebenfalls auf diese Weise verwendet werden kann.
Das Prinzip ist in allen Fällen gleich und heißt Relative Solmisation.
Weitere Informationen dazu im Menü Was ist Solmisation?
Im Menü Liedbegleitung klären wir einige Grundbegriffe für die Begleitung von Songs.
In den Menüs Gitarre und Sammel-Box gibt es Tipps für das Spielen auf der Gitarre.
Ode to Joy
So singen wir die Ode an die Freude –
die Europahymne startet auf der Silbe Ga.